DAS ZEITLABOR

Ist Zeit das, was man auf der Uhr abliest? Oder ist Zeit die Dauer, die man fühlt? Oder die Zeiträume, die man erinnert? Warum vergeht Zeit manchmal schnell und weshalb kann sie so grausam langsam kriechen? Weshalb ist Zeit für Kinder eine Ewigkeit und scheint immer mehr zu rasen, einem durch die Finger zu gleiten, je älter man wird? Die Antwort lautet: Die Zeit gibt es nicht. Die Zeit hat die unterschiedlichsten Gesichter und die Auseinandersetzung mit ihr ist alles – nur kein akademisches Glasperlenspiel. Und es lohnt sich, dieses Phänomen fassbar und erfahrbar zu machen. Wahrscheinlich gibt es kein philosophisches Thema, das – sieht man vom Zufall ab – so eng mit der persönlichen Lebensführung verquickt ist. Die Art und Weise, wie wir über die Zeit nachdenken, ob sie etwas ist, das wir auf einer Uhr ablesen und verwalten können oder ob sie ein individuelles Lebensgefühl ist, das nur wenig mit dem physikalischen Zeitbegriff zu tun hat, ist aufs engste mit unserer persönlichen Lebensphilosophie verbunden. Aber dem vielschichtigen Phänomen der Zeit nähert man sich nur bedingt durch das Studium wissenschaftlicher und philosophischer Texte. Das werden wir natürlich auch tun, viel wichtiger aber ist es die Vielgestaltigkeit der Zeit zu erleben. Deshalb spielen wir mit dem Gedanken, für das Zeitlabor einen ganz besonderen Ort zu wählen: Belize.




Belize hat eine der schönsten Karibikküsten und große Flächen unberührten Urwalds im Hinterland. Es ist landschaftlich grandios. Auschlaggebend sind aber auch die verschiedenen Kulturen, denen wir begegnen und die in direkter Beziehung zum Phänomen der Zeit stehen. Im Hinterland gibt es die grandiosen Mayaruinen im Dschungel. Die gesamte Kultur der Maya drehte sich um die Zeit und sie entwickelten eine Astronomie ohne komplizierte Geräte, die Ihresgleichen sucht. Gleichzeitig ist Belize die Heimat der Garifuna, die die Zeitlosigkeit in der Trance pulsierender Trommelrhythmen finden. Es gibt fantastische Höhlen zu meditieren und die Möglichkeit Zeitlosigkeit bei Tauchgängen in einem der schönsten Tauchreviere der Welt zu erleben. Das Essen ist hervorragend und mit der Coconut Row steht uns ein Tagungsort zu Verfügung, wo die Teilnehmer in Cabanas direkt am Strand leben und die Seminarräume im Schatten mit Blick aufs Meer liegen. In der Summe gibt uns das also die Möglichkeit über das Phänomen der Zeit nicht nur zu reden sondern es auch in seiner ganzen Vielfalt zu erleben.

WIR SIND ERINNERUNG

„Wir sind Erinnerung“ ist der treffende Titel eines exzellenten Sachbuchs von Daniel Schacter – besser kann man es nicht ausdrücken. Der Mensch konstituiert sich aus der Summe erinnerbarer Erfahrungen, die ihm bewusst aber auch unbewusst zugänglich sind. Damit bekommt das Gedächtnis für den Menschen eine identitätsstiftende Funktion. In dem Seminar „Wir sind Erinnerung“ steht deshalb das Gedächtnis im Fokus. Wir erfahren, wie Erinnerungen zustande kommen, welche Funktion sie haben, wie man sie wachruft, welche Möglichkeiten es gibt, in sein Innerstes hinabzusteigen und zumindest teilweise Zugriff zu unbewussten Erinnerungen zu bekommen. Genauso wie im Seminar „Kopf und Körper“ stellt sich heraus, dass „Selbst“ und „Ich“ zwei unterschiedlich umfassende Kategorien sind und wir als Menschen gut beraten sind, dem umfassendere „Selbst“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem „Ich“. Denn das „Ich“ ist nur der Stellvertreter des „Selbst“ im „Selbst“.

DAS BILD DER WELT IM KOPF – WIE WIR DIE WIRKLICHKEIT KONSTRUIEREN

Die Selbstverständlichkeit, mit der wir „die Welt“ mit unseren Sinnen wahrzunehmen glauben, könnte uns dazu verführen, unsere Wahrnehmungen mit der „Welt da draußen“ zu verwechseln. Doch wenn man genauer hinschaut, zeigt sich ein anderes Bild: Das, was wir für „Welt“ halten, ist das Ergebnis eines ungeheuer raffinierten Konstruktionsprozesses, in den durch die neuesten Ergebnisse der Neurowissenschaften langsam Licht kommt. Es ist nicht die Aufgabe unseres Gehirns, die Welt abzubilden, wie sie ist. Das ist, wie wir zeigen werden, auch gar nicht möglich. Wir können sie nur konstruieren. Und wenn man die Konstruktionsleistung des Gehirns verstehen möchte, dann muss man die Mechanismen der Evolution mitdenken. Die Art und Weise, wie wir Welt in unserem Kopf erschaffen, muss nämlich von der Art sein, dass wir im evolutionären Wettrüsten bestehen können. In dieser Veranstaltung machen wir den aufregenden Prozess mit welchem das Hirn Welt konstruiert, versteh- aber auch fühlbar.

DIE MACHT DES ZUFALLS – UNGLÜCK UND CHANCE

„Erstens kommt es anders und zweitens als Du denkst“ oder: „Je mehr man plant, desto härter trifft einen der Zufall“ – Zwei Aphorismen, die schon ahnen lassen, wie facettenreich der Umgang mit dem Zufall ist. Tatsächlich ist die Auseinandersetzung mit diesem faszinierendem Thema von abgründiger Tiefe. Obwohl bis zum heutigen Tag keine wissenschaftlich stringente Definition des Zufalls existiert, durchdringt der er unser Leben in allen Bereichen: Als glücklicher Zufall, als Schicksalsschlag, als etwas, das man mit der Statistik zu beherrschen sucht, als Grundlage philosophischer Schulen wie der Stoa …

In diesem Seminar werden wir uns dem Phänomen des Zufalls von allen Seiten nähern. Wir werden spielen, Texte lesen, wir werden verstehen, wo uns der Zufall hilft, die Welt zu berechnen und wo er uns lehrt, dass jede Berechnung sinnlos ist. Das Wichtigste aber wird es sein, zu verstehen, in welcher gravierender Weise unsere persönliche, oft unbewusste Sicht auf den Zufall, die persönliche Lebensphilosophie beeinflusst. Das hat der Zufall mit der Zeit gemein. Unsere individuellen Einstellungen zu den großen Themen Zeit und Zufall limitieren unsere Existenz oder eröffnen uns Horizonte, befreit und erfüllt zu leben.

WIE ES IST, EIN ANDERER ZU SEIN

Jeder Mensch hat wohl schon darüber nachgedacht, wie es wäre, ein anderer zu sein. Da stellt sich natürlich die Frage, wer man selber ist und ob es überhaupt möglich wäre, als „Ich“ in einen anderen Körper zu reisen oder ob der eigene Körper für das persönliche Selbstgefühl so maßgeblich ist, das das Gedankenspiel mit seinem „Ich“ in einem fremden Körper die Welt aus dessen Augen zu sehen, von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist. In diesem Seminar gibt es zwei deutlich geschiedene Teile. Im ersten – dem theoretischen – philosophieren wir über die Frage, was „Ich“ und „Selbst“ sein könnten. Im zweiten werden wir versuchen, das Gedankenexperiment, die Welt mit den Augen eines anderen zu sehen, zumindest fühlbar zu machen. Zu diesem Zweck lernen wir in einem Körpertraining unsere eigene Körpersprache zu verändern. Anschließend werden wir von Kostüm – und Maskenbildnern gemäß einer Wunschfigur angezogen und geschminkt, um dann in der Stadt unter die Leute zu gehen und zu erfahren und zu fühlen, wie sie auf diese völlig veränderte Erscheinung reagieren. Die Erfahrungen werden am Ende der Veranstaltung gesammelt und debattiert.

DIE GEOMETRIE DES GLÜCKS

Natürlich ist individuelles Lebensglück nur in Maßen planbar, auch wenn wir, um uns selbst zu beruhigen, das Gegenteil glauben. Aber es gibt nun einmal Schicksalsschläge, denen vielleicht antike Weisheitslehrer gewachsen waren, die aber die meisten Menschen unweigerlich aus der Bahn werfen. Von diesen Extremereignissen abgesehen, fehlt aber vielen Menschen – selbst bei paradiesischen äußeren Umständen – offensichtlich die Fähigkeit ein Leben zu führen, das sie mit Zufriedenheit erfüllt. Sichtbares Zeichen dieser Unfähigkeit zum Glück sind Verdrossenheit, permanentes Gestresstsein sowie endemisch wachsende Zahlen schwermütiger Patienten: Von den 18-25 Jährigen sind in Deutschland 25% depressiv. Ganz offensichtlich mangelt es also vielen Zeitgenossen an einer geeigneten Seelenverfassung, um mit der modernen Welt zurechtzukommen. Aber wie soll das auch funktionieren? Natürlich gibt es, was individuelles Glück angeht, kein Vademecum, das sich einfach abarbeiten ließe. Trotzdem existieren Verhaltensweisen, die Unzufriedenheit und auch persönliches Unglück mit einer gewissen Zwangsläufigkeit bewirken. Andere wiederum ziehen mit Verlässlichkeit Zufriedenheit nach sich. In diesem Seminar machen wir diese „Mechanismus“ transparent und greifbar. Das ist ein erster notwendiger Schritt, um seinem Leben einen neuen Impuls zu geben.

KOPF UND KÖRPER

Die westliche Philosophie ist in großen Teilen körperfeindlich. „Der Körper ist das Grab der Seele“ ist eine Einstellung Platons, die für 2500 Jahre Philosophie maßgeblich war. Die Missachtung des Körpers steht nicht nur in einem deutlichen Kontrast zu Teilen fernöstlicher Philosophien, in deren Mittelpunkt die Einsicht steht, dass sich erst durch körperliche Übung eine geistige Entwicklung vollziehen lässt. Auch in den modernen Neurowissenschaften wird immer deutlicher, dass ohne den menschlichen Körper, unser Denken nicht denkbar ist. In dem Seminar „Kopf und Körper“ geht es darum, die Symbiose dieser nur scheinbar disparaten Begriffe erkennbar zu machen. Wir werden mit dem Körper arbeiten, ihn erfahren und mit Hilfe des „Soulscreens“ begreifen, wie der Körper auch scheinbar abstrakten Tätigkeiten wie dem Sprechen Sinn und Bedeutung gibt.

FÜHLEN WAS MAN FÜHLT – DAS GEHEIMNIS DES INNEREN SINNS

Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken: Unsere fünf Sinne. Aber sind das alle? Oder gibt es noch mehr? Wenn Sie die Augen schließen und mit ihrem Zeigefinger die Nasenspitze suchen und zielsicher finden. Was ist das für ein Sinn? Und wie verhält es sich mit dem Gleichgewichtssinn? Dem Sinn für Abstand? Dem Gefühl für Zeit? Und was ist mit dem sprichwörtlichen Bauchgefühl? Diese ganzen Sinnesqualitäten sind Teil des inneren Sinns. Und der „Stimme“ dieses inneren Sinns zu lauschen, verrät uns, wie es uns wirklich geht. Wir fühlen, wie wir uns fühlen. Aber in einer Zeit der beschleunigten Vorwärtsbewegung haben wir häufig verlernt, diese innere Stimme zu hören. In diesem Seminar wagen wir vorsichtige Schritte in ein unbekanntes Land – unser eigenes Inneres.

UNPLUGGED HEADS – RAUM FÜR IDEEN

Wir bieten mit dem Philosophischen Labor Schülern und Studenten ein Forum, Ihre Ideen vorzustellen. Diese können technischer Natur sein, es sind aber auch geisteswissenschaftliche Ideen und Visionen willkommen. Wichtig ist der Mut, sich aus seinem eigenen Schneckenhaus herauszubewegen. Wer also in seinem Oberstübchen etwas Ausgefallenes ausbrütet und plant, es in die Tat umzusetzen, der soll sein Projekt skizzieren und unter mw@philab.de an uns senden. Wenn uns die Idee gefällt, werden wir einen Abend organisieren, an dem das Projekt vorgestellt und diskutiert wird. Wir werden dann gemeinsam überlegen, wie es sich finanzieren und realisieren ließe.

Des weiteren werden wir Seminare mit Menschen organsieren, die ungewöhnliche Projekte realisiert haben und/oder sehr individuelle und mutige Lebenswege gegangen sind. Die aktuellen Daten werden unter PULSE bekannt gemacht.